Die Trockenjahre 2018 bis 2020 haben den Wäldern im südlichen Westerwald große Schäden zugefügt: Im Gebiet der Verbandsgemeinde (VG) Montabaur musste der Fichtenbestand weitgehend abgeholzt werden, weil die Bäume vom Borkenkäfer befallen waren. Besonders betroffen sind die Ortsgemeinden Girod und Großholbach, die bis zu 40% ihres Gemeindewaldes verloren haben. Hier entsteht nun ein neuartiges Klimaschutzprojekt, bei dem die gerodeten Flächen mit einer hochwertigen Baumartenmischung aufgeforstet werden, die vor allem darauf abgestimmt ist, möglichst große Mengen Kohlendioxid (CO2) zu speichern. Finanziert wird „Re-Spire Westerwald“ von Unternehmen, die CO2-Speichereinheiten kaufen und sich damit freiwillig der eigenen Verantwortung für das Klima stellen. Der Clou daran: Re-Spire Westerwald ist nach international anerkannten Standards und Verfahren zertifiziert. Damit ist die Einhaltung der Ziele über die gesamte Laufzeit von vierzig Jahren garantiert. Mit dieser Form der Qualitätssicherung ist das Projekt einzigartig in Deutschland und zugleich zukunftsweisend.
Die Ausgangslage
Der südliche Westerwald ist eine waldreiche Gegend. Die VG Montabaur ist knapp zur Hälfte mit Wald bedeckt, 5.800 Hektar insgesamt. Die Trockenjahre 2018-2020 haben den Wäldern, insbesondere den großen Fichtenbeständen, enorm zugesetzt. Heftige Stürme haben die Lage weiter verschlimmert. Die derart geschwächten Wälder hatten dem Borkenkäfer nichts mehr entgegen zu setzten, die Fichten starben fast überall ab und mussten gerodet werden, insgesamt 1.111 Hektar. Davon gehören allein 115 Hektar den beiden Ortsgemeinden Girod und Großholbach. Es ist eine der größten zusammenhängenden Kahlschlagflächen im unteren Westerwald. Der Anblick der großen öden Flächen, wo zuvor stolze Wälder standen, trifft viele Menschen ins Herz. „Die Trockenheit, der Borkenkäfer und andere Faktoren haben uns herbe Verluste beigebracht - nicht nur emotional, sondern auch wirtschaftlich.“ So beschrieb Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich die Ausgangslage bei der Vorstellung des Projektes „Re-Spire Westerwald“. Für die Ortsgemeinden, die Besitzer der kommunalen Wälder sind, ist der Forst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie mussten nach den Trockenjahren die Notfällungen bezahlen, konnten das geschädigte Holz kaum verkaufen, können auf Jahrzehnte hinaus keine Einnahmen aus den betroffenen Waldflächen erwirtschaften und müssen nun noch die Wiederaufforstung finanzieren.
Die Idee
Genau an dieser Stelle setzt das Projekt „Re-Spire Westerwald“ an. Die Ortsgemeinden Girod und Großholbach würden die kahlen Flächen gerne hochwertig aufforsten, doch dazu fehlen ihnen die finanziellen Mittel. Hochwertig aufforsten bedeutet in diesem Falle einen klimaresilienten Mischwald anzulegen mit Baumarten, die besonders viel CO2 speichern können. Diese CO2-Speicherleistung lässt sich berechnen: Wenn die Flächen entsprechend der Projektidee von „Re-Spire-Westerwald“ aufgeforstet und über 40 Jahre gepflegt werden, könnten dort 29.000 Tonnen CO2 mehr gespeichert werden, als wenn man die Flächen einfach sich selbst überließe. Diese zusätzlichen CO2-Speicherkapazitäten bietet die Firma Re-Spire den Unternehmen an, die an aktivem Klimaschutz in Deutschland interessiert sind und somit ihr eigenes Engagement unterstreichen wollen. „Viele Unternehmen betreiben sehr ernsthaft Klimaschutz und wollen insgesamt klimafreundlicher agieren indem sie ihre CO2-Emissionen abbauen und zusätzlich in Projekte zur CO2-Reduzierung investieren. Bislang konnten sie das häufig nur bei internationalen Klimaschutzvorhaben tun. Re-Spire bietet den Unternehmen nunmehr die Möglichkeit, die heimischen Wälder zu stärken und den klimaresilienten Wiederaufbau zu fördern, so Michael Sahm, Director Climate Strategy, von der Firma Forliance. Die Unternehmen kommunizieren ihre Beteiligung an dem Projekt dann gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Kapitalgebern und der breiten Öffentlichkeit. „Unternehmen wollen sich derzeit auch stärker im Inland für Klimaschutz und Klimaanpassung engagieren– sicht- und greifbar für ihre Zielgruppen“, so Sahm.
Re-Spire Westerwald
„Re-Spire Westerwald“ ist das Pilotprojekt der von Forliance gegründeten Re-Spire GmbH aus Bonn. Forliance verfügt seit vielen Jahren über Erfahrung in der Entwicklung von Klimaschutzprojekten weltweit. Seit 2019 arbeiten die Ortsgemeinderäte aus Girod und Großholbach, Revierförster Bernhard Kloft und Landesforsten sowie die Waldspezialisten von Re-Spire gemeinsam an der Entwicklung des Projektes. So wurde schließlich eine knapp 95 Hektar große Kahlschlagfläche zur Projektfläche erklärt. Hier sollen künftig klimatolerante Baumarten gepflanzt werden. Dabei handelt es sich überwiegend um heimische Laubbäume wie Eiche, Linde, Kirsche, Hainbuche, Rotbuche, Ahorn sowie Lärchen und Weißtannen. Darüber hinaus kommen auch Esskastanie, Walnuss, Mehlbeere und Elsbeere und in einem geringen Umfang auch Roteichen, Baumhasel und Douglasie zum Einsatz. Allerdings ist es mit dem Pflanzen nicht getan, wie Revierförster Kloft erklärt. „Es ist wichtig, dass die Projektflächen über die Laufzeit von vierzig Jahren entsprechend gepflegt werden.“ Dazu gehört es, die Setzlinge gegen Verbiss und Schädlinge zu schützen, natürlich nachwachsende Arten in das Konzept zu integrieren und alles zusammen über eine fachgerechte Jungwaldpflege klimafit zu machen. Außerdem muss die gesamte die Entwicklung kontinuierlich dokumentiert werden. „Das ist die Aufgabe des Forstreviers in dem Projekt“, so Revierförster Kloft.
Gesicherte Qualität
Das Besondere an der Projektidee von Re-Spire ist, dass sämtliche Abläufe nach einem ISO-genormten Verfahren ablaufen. So wird die Qualität im gesamten Verlauf gesichert und überwacht. Das schafft Transparenz für alle Beteiligten. Im ersten Schritt hat der TÜV Nord als unabhängige Prüfstelle den Zustand der Flächen aufgenommen und die Projektunterlagen geprüft, einschließlich der Berechnungen zur CO2-Speicherleistungen. Regelmäßige Kontrollen der Flächen alle fünf Jahre werden folgen. „Die ISO-Zertifizierung und das damit verbundene Monitoring machen das Projekt so einzigartig. Es gibt bislang nichts Vergleichbares in Deutschland“, versichert Sahm. „Genau diese verlässliche Qualität ist es, was die Unternehmen schätzen.“ Auch die beiden Ortsgemeinden und der Revierförster haben Interesse an einem möglichst erfolgreichen Verlauf der Aufforstung, denn die Höhe der finanziellen Unterstützung richtet sich nach der tatsächlich erreichten zusätzlichen CO2-Speicherleistung. „Für Girod und Großholbach bedeutet das Projekt einen enormen Mehrwert, denn sie bekommen ihren Wald zurück, so wie sie es sich wünschen. Das ist wichtig für die Forstwirtschaft, die Wasserversorgung und die Naherholung“, fasste Bürgermeister Richter-Hopprich die Vorteile für die Region zusammen und sprach damit auch im Namen der beiden Ortsbürgermeister Hans-Jürgen Herbst (Girod) und Harald Quirmbach (Großholbach), die bei der öffentlichen Vorstellung des Projekts dabei waren. „Der Westerwald ist ohne Wald nicht denkbar“, so Richter-Hopprich abschließend.