Ort des Geschehens war die Anne-Frank-Realschule plus Montabaur, genauer gesagt das Klassenzimmer der 10d. Auf dem Stundenplan stand Sozialkunde und das passte genau ins Konzept. Auch Schulleiter Ernst-G. Carstensen findet es wichtig, die noch nicht wahlberechtigten Bürger in die lokale Politik einzubeziehen.
In der „Unterrichtseinheit JumaZu“ kam zur Sprache, wie die politischen Strukturen in der Verbandsgemeinde, der Stadt Montabaur und in den einzelnen Ortsgemeinden aufgebaut sind, wie Entscheidungen getroffen werden und welche Beteiligungsmöglichkeiten es gibt. Für minderjährige Bürger ist das eher bescheiden, denn Rheinland-Pfalz ist eines der wenigen Bundesländer, in denen das allgemeine Wahlalter (noch) bei 18 Jahren liegt. So sind die Einwohnerfragestunden bei den Ratssitzungen für junge Menschen bislang die einzige Gelegenheit, ihre Anliegen und Wünsche direkt anzusprechen. Exakt das möchte JumaZu ändern. Über JumaZu können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene eigene Projekte anstoßen, ob es um einen Skateplatz im eigenen Dorf oder die Überdachung einer Bushaltestelle geht.
Dass die 10d ihre Interessen ohne Scheu äußerte, lag auch an der Methode. Über ein digitales Tool durften die Mädchen und Jungen über schuleigene iPads eingeben, was ihnen am Herzen liegt. Anonym! Dieser Brainstorm wurde für die ganze Klasse sichtbar auf ein Whiteboard übertragen. „Alles ist wichtig und alle sollen sich ungefiltert einbringen können“, sagt Larissa Metz. „Nur so entsteht ein authentisches Bild.“ Dieses Bild war sehr bunt. So möchten die Jugendlichen mehr Bänke und Plätze zum Chillen, einen Basketball-Court und mehr Läden zum Shoppen. Für ihre Schule wünschen sie sich niedrigere Kioskpreise, Kaugummi im Verkauf und - on top - einen Red-Bull-Automaten.
Der ÖPNV spielt in der Lebenswelt der Schüler eine besonders wichtige Rolle. Wenn er funktioniert, bedeutet das Unabhängigkeit vom Taxi Mama oder Papa. Denn was ist weniger cool, als von den Eltern zum Date gebracht zu werden? So ging ein zustimmendes Raunen durch die Runde, als auf dem Whiteboard erschien: Mehr Bus- und Zugverbindungen. Besserer ÖPNV. 9 Euro Ticket. Und schnell kamen Lösungsvorschläge an die Wand: E-Scooter in der Stadt! Ein Schokoticket, mit dem Kids für wenig Geld Busse und Bahnen in der Region nutzen können. So etwas gibt es z.B. in Nordrhein-Westfalen. Erstaunlich, wie schnell der Knoten platzte und wie viele Ideen in weniger als zwei Minuten geboren wurden.
An diese Ideen möchte JumaZu nun mit BarCamps anknüpfen. Wie das funktioniert? „In Kleingruppen diskutiert man über mitgebrachte Themen oder Fragen; eine Session dauert ca. 30 Minuten. Dann treffen sich alle Beteiligten zum allgemeinen Austausch, und im Anschluss geht´s nach kurzer Pause in neue Gruppen mit neuen Themen weiter. Jeder und jede bringt sich ein, nimmt also nicht nur mit, sondern steuert auch Erfahrungen und Ideen bei. So profitieren alle im kreativen Miteinander“, erklärt die Projektleiterin.
„Wir werden ernst genommen.“ Diese Erkenntnis hat den Zehntklässlern Mut gemacht. Larissa Metz wiederum hat erstmals live erfahren, wo bei den Jugendlichen der Schuh drückt und wo demnächst weitere Projekte starten könnten. Ihre Aufgabe ist es nun, die Anliegen der Jugendlichen in die Politik vor Ort zu tragen – in den Verbandsgemeinderat und in die zuständigen Gremien der Stadt und der Ortsgemeinden. Dabei wird sie von den Bürgermeistern unterstützt.
JumaZu kommt gerne in die Stadt, die Orte und Vereine der Verbandsgemeinde Montabaur, um über die Teilhabechancen junger Menschen zu sprechen oder ein BarCamp zu veranstalten. Weitere Infos gibt es auf www.jumazu.de, unter Telefon 0171/9136153 oder per E-Mail hallo@jumazu.de.
Was ist JumaZu?
Jugend macht Zukunft, abgekürzt JumaZu - der Name ist Programm bei der Plattform. Über niedrigschwellige Angebote können Jugendliche ihre Themen, Fragen und Ideen diskutieren und in die lokale Politik einbringen.
JumaZu wurde von der Verbandsgemeinde Montabaur ins Leben gerufen; die Stadt Montabaur ist Partner in dem Projekt.
Das Konzept ruht auf drei Säulen: Die erste und zugleich das Herzstück ist die Interaktion über Social Media, die von Larissa Metz moderiert wird. Die Kulturpädagogin wurde in Vollzeit eigens für das Pilotprojekt eingestellt. Über die verschiedenen Kanäle haben die jungen Leute die Möglichkeit, ihre Wünsche zu äußern; zudem finden sie hier viele Informationen zu den politischen Strukturen im kommunalen Bereich. Die zweite Säule bilden die BarCamps. Das sind Gesprächsrunden, in denen die Jugendlichen sich treffen und nach bestimmten Regeln ihre Themen vorstellen, diskutieren und gemeinsam Wege zur Umsetzung entwickeln. Im dritten Schritt sollen alle gesammelten Impulse in die politischen Prozesse vor Ort einfließen. Die Räte von Verbandsgemeinde und Stadt zeigen, wie wichtig ihnen die Anliegen der noch nicht wahlberechtigten Generation sind: Sie haben festgelegt, sich einmal im Jahr damit auseinanderzusetzen, sofern sie die Kommune betreffen. Dafür hinaus verpflichten sich die Bürgermeister, Sorge zu tragen, dass die Themen, die über die lokale Ebene hinausgehen, an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden.
JumaZu ist zunächst auf drei Jahre befristet und läuft über das Haus der Jugend. Die Plattform wird von der Stadt sowie der Verbandsgemeinde in Unterstützung des Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur und Integration finanziert.