67,5 Minuten – das wird die neue Maßeinheit an der Heinrich-Roth-Realschule plus in Montabaur. Ab dem nächsten Schuljahr 2024/25 wird eine Schulstunde jeweils 67,5 Minuten lang sein. Darauf hat sich die Schulgemeinschaft in der Gesamtkonferenz geeinigt. Das Ziel: Mehr Ruhe im Schulalltag, mehr Zeit zum Lernen und Verstehen, mehr Ordnung im Stundenplan und mehr Struktur bei den Lerninhalten. Die Schulleitung, das Kollegium, die Schüler und die Eltern haben die Umstellung auf den neuen Takt intensiv beraten und durchdacht, gut eineinhalb Jahre hat dieser Prozess gedauert.
67,5 Minuten pro Schulstunde – das klingt auf den ersten Blick etwas schräg, dabei ist es ganz einfach: „Bislang hat jede Schulstunde 45 Minuten, drei Schulstunden haben 135 Minuten. Diese haben wir nun auf zwei Unterrichtseinheiten zu je 67,5 Minuten verteilt. Aus drei mach zwei. Der Vormittag besteht also nicht mehr aus sechs, sondern nur noch aus vier Schulstunden“, rechnet Schulleiter Franz-Josef Gerz vor. Zusammen mit Arne Baier, dem pädagogischen Koordinator in der Schulleitung, hat er den neuen Takt ausgearbeitet. „Der 45-Minuten-Takt ist einfach nicht mehr zeitgemäß, er wird weder unseren Schülern gerecht noch den Anforderungen daran, was Schule heute alles leisten soll“, erklärt Baier. Von den 45 Minuten blieben oft netto nur 30-35 Minuten Unterrichtzeit übrig, denn zu Beginn der Stunde müssen erst die Anwesenheit und die Hausaufgaben kontrolliert werden, die Schüler müssen Hefte und Bücher bereitlegen und der Stoff der letzten Stunde wird kurz zusammengefasst. „Das alles ist nötig, kostet aber Zeit, so dass mir für neuen Stoff meist nur noch eine halbe Stunde bleibt. Neuer Stoff muss erklärt, verstanden und verstetigt werden. Wenn ich dafür künftig 50 bis 55 statt 30 Minuten Zeit habe, kann ich ein Thema besser erklären, Zusammenhänge herstellen und den Schülern bleibt mehr Zeit, alles zu verstehen und zu behalten“, so Baier. „Wir gehen davon aus, dass unsere Schüler von der neuen Zeiteinteilung profitieren und bessere Lernerfolge zeigen werden“. Im Vorfeld hatte die Schulleitung sich bei anderen Schulen informiert, die bereits längere Stundentakte eingeführt haben. „Die Erfahrungen sind unterschiedlich, überwiegend positiv und keine der Schulen ist wieder zum alten 45-Minuten-Takt zurückgekehrt“, fasst Baier den Erfahrungsaustauch zusammen. Es gibt bundesweit schon einige Schulen, die einen 67,5er-Takt umgesetzt haben, und es gibt auch Modelle mit 50, 55 oder 60 Minuten, aber die weitaus meisten Schulen arbeiten noch mit dem herkömmlichen 45-Minuten-Rhythmus.
Für das Lehrerkollegium bedeutet die Umstellung auf den Takt eine große Umstellung im Unterricht und in der Vorbereitung, denn die einzelnen Stunden und Lernstoff-Einheiten müssen neu konzipiert werden. „All das haben unsere Fachkonferenzen geleistet und sich dabei echt reingekniet. Das gesamte Kollegium zieht mit.“, lobt Gerz seine Lehrkräfte. Er betont: „Wir haben alles genau durchgerechnet. Es werden keine Abstriche beim Lernstoff gemacht. Im Rahmen der Verwaltungsvorschrift haben wir die Unterrichtseinheiten lediglich auf die 67,5er-Taktung angepasst.“ Dabei sehen die Lehrkräfte vor allem die Vorteile, die das neue System für die Schüler bringen wird: Sie haben am Vormittag nur noch vier Fächer und können sich deshalb besser auf die einzelnen Fächer konzentrieren. Das Lernen wird so intensiver und nachhaltiger. Die Ranzen sind leichter, denn weniger Fächer beuten weniger Bücher und weniger Raumwechsel. Auch die Pausen wurden neu aufgeteilt: Es gibt eine lange Pause von 25-30 Minuten am Vormittag, ansonsten nur 5-Minuten-Pausen zwischen den Stunden.
Die Heinrich-Roth-Schule ist eine Realschule plus mit Schwerpunkt Ganztagsschule. Der Unterricht erfolgt ausschließlich in reinen Halbtags- oder Ganztagsklassen. Auch hier sehen Baier und Gerz viele Vorteile durch den neuen 67,5er Takt. Mehr als zwei Drittel der insgesamt 521 Schüler nutzen das Ganztagsangebot. Für die Ganztagsklassen musste auch eine Lösung für die verbleibenden 90 Minuten Unterrichtszeit am Nachmittag erarbeitet werden. Neben einer zusätzlichen Unterrichtsstunde von 67,5 Minuten, die vornehmlich für die Hauptfächer reserviert wird, verbleibt rechnerisch eine 22,5-Minutenphase. „Das ist für uns ein pädagogisch wertvoller Spielraum. Es gibt uns Zeit für Themen, die sonst im Schulalltag zu kurz kommen, aber dennoch dazu gehören“, führt Baier aus. „Wir werden je nach Altersstufe zusammen lesen oder uns gegenseitig vorlesen, tagesaktuelle Nachrichten anschauen und besprechen, Klassenräume und die Schule aufräumen, Klassenrat halten, Neuigkeiten aus der Schule austauschen und uns bei den älteren Jahrgängen mit dem Thema Berufsfindung und den alltäglichen Herausforderungen wie dem Ausfüllen einer Überweisung oder eines Formulars befassen. Auch das ist ein großer Gewinn.“
Die gute Vorbereitung und die guten Argumente überzeugte schließlich auch die Gesamtkonferenz der Schule, bestehend aus der Schulleitung, dem Kollegium, der Schülervertretung und dem Schulelternbeirat. Hier wurde intensiv diskutiert und schließlich mehrheitlich beschlossen, dass der neue Takt von 67,5 Minuten je Schulstunde eingeführt wird. „Der Prozess in der Schule hat mich beeindruckt. Die Zustimmung der Schulgemeinschaft zu der nun anstehenden Veränderung zeigt mir, dass die Schule auf einem guten Weg ist. Als Schulträger begrüßen wir das innovative Konzept und sagen unsere Unterstützung zu“, stellt Andree Stein fest. Er ist Erster Beigeordneter und Schuldezernent bei der Verbandsgemeinde Montabaur, die Träger der Heinrich-Roth-Realschule plus ist.